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Wissenschaftlicher Beitrag von Dr. Scherzinger

Mehr Birken für das Birkhuhn

 

Neben den Wäldern, Bergbächen und Mooren – als wertvolles Naturerbe – ist die Landschaft der Grenzregion ebenso charakterisiert durch blütenreiche Magerwiesen, hochwüchsige Feuchtwiesen, kleine Ackerstreifen, bunte Heckenzeilen und kunstvoll geschichtete Lesesteinwälle. In Generationen-übergreifender Handarbeit entwickelt und gepflegt, bot

en diese Wirtschaftsflächen zwar nur ein schmales Einkommen für Kleinbauern, Häusler und Nebenerwerbslandwirte, doch begründete gerade die kleinteilige Verzahnung von Natur- und Kulturlandschaft einen ungewöhnlichen Reichtum in der Pflanzen- und Tierwelt des Mittelgebirges.

In einer Zeit, die sich vorwiegend an Wirtschaftlichkeit und Rendite der Landnutzung orientiert, haben solch´ altmodischen Landschaften aber scheinbar keinen Platz mehr - und das wertvolle Kulturerbe verfällt: stur-gerade Entwässerungsgräben statt sich schlängelnder Bachufer, Brache und Gebüsch statt Moosbeere und Heidekraut, finstere Fichtendickung statt lichter Birkenhain. Mit der landschaftlichen Vielfalt verschwanden aber auch Wiesenblumen und Schmetterlinge, Heuschrecken und Eidechsen, Libellen und Wasseramsel – und den ohnehin hochgradig gefährdeten Arten - wie Fischotter, Bekassine, Feldwachtel, Wachtelkönig oder dem Birkhuhn - droht der Verlust ihrer wichtigsten Lebensräume!

Naturschutz kann und will nicht die Entwicklung in der Bayerwald-Landschaft zurückdrehen, doch lohnt sich der Erhalt besonders eindrucksvoller Beispiele allemal. In einer ungewöhnlichen Allianz aus Verbands-Naturschutz, behördlichem Naturschutz, Forstverwaltung, Jagdverband, Wasserwirtschaftsamt und Gemeindeverwaltung gelang es in den letzten Jahren, einen wichtigen „Trittstein“ im Lebensraumangebot des Grenzlandes wieder zu beleben: Koordiniert durch die Regierung von Niederbayern konnte ein wenigstens 80ha großes Moor- und Bergwiesenareal am „Schnellenzipf“ in einem völlig neuartigen Gemeinschaftsprojekt re-vitalisiert werden. Bei hochprozentiger Förderung durch den Bayerischen Naturschutzfond, legte der Landesbund für Vogelschutz mit dem schrittweisen Ankauf von rund 8 ha „primitiver“ Mager- und Feuchtwiesen sozusagen den Grundstein für die Wiederherstellung einer artenreichen Landschaft an der Landesgrenze. Als „Verband für Biotop- und Artenschutz“ organisierte er die restlose Entfernung von rund 5ha monotoner Fichtenaufforstungen. Mit dem Abtrieb weiterer 6ha an dunklen Fichten- und Kiefernaufforstungen unterstützte das Staatliche Forstamt Neureichenau diese „nostalgische“ Aktion. Über die hilfreiche Finanzierung durch die „Glücksspirale“ konnte ein Managementplan für die fachgerechte Rekonstruktion der historischen Bewirtschaftung erstellt werden. Weitere Gelder flossen über ein LEADER II-Projekt und die Naturpark-Förderung in das ungewöhnliche Vorhaben, und ermöglichten die Freistellung überlebender Birkengehölze von stark beschattenden Nadelbäumen, die Wiedervernässung vordem trocken gelegter Moorflächen und die Anlage eines primitiven Wildackers mit alten Getreidesorten.

Dieser Einsatz macht Sinn, denn die Mooswiesen am Grenzbach zwischen Schnellenzipf / Bayern und Straszny / Böhmen sind nicht nur Rückzugsgebiet von so spezialisierten Schmetterlingsarten wie Hochmoorgelbling, Ampferfeuerfalter, Schwarzspanner oder Rostbraunem Wiesenvögelchen, und beherbergen eines der größten Restvorkommen der landesweit gefährdeten Kreuzotter, sie bieten vor allem die letzten Über-Lebensmöglichkeiten für das Birkhuhn in Niederbayern: Dieses schmucke Raufußhuhn galt lange Zeit als Charakterart der Moore und Feuchtwiesen, der Birkenwäldchen und Steinriegel im Inneren Bayerischen Wald. Um 1974 meldeten die Jäger noch über 1000 balzende Hahnen in den Landkreisen Grafenau, Wolfstein und Wegscheid. 20 Jahre später waren es höchstens noch 12, und Anfang des 21. Jhdts. konnten bestenfalls noch 5-7 Birkhähne bei ihrem tollen Balzspiel beobachtet werden. So ist das gesamte Niederbayerische Verbreitungsgebiet dieses populären Wildhuhns auf den schmalen Wiesenstreifen entlang der Grenze zwischen Haidmühle und Schnellenzipf zusammengeschrumpft! Dank der noch weitläufigen Moor- und Heideflächen auf tschechischer Seite konnte hier – grenzüberschreitend - ein Restbestand an Birkhühnern überleben.

Da die Birkhuhnbestände auch in Böhmen kontinuierlich zurückgehen, war es höchste Zeit für eine konzertierte Rettungsaktion: Im Rahmen des großräumig geplanten Konzeptes zur Wiederherstellung der „Bischofsreuther Waldhufen“ in der Gemeinde Haidmühle wurde auf der Basis eines zoologischen Gutachtens (1988), der amtlichen Biotopkartierung (1988/89), der Arten- und Biotopschutzkartierung (1993) und der Artenschutzkartierung Bayern (2003) nicht nur die hervorragende Bedeutung der Moor- und Wiesengrundstücke für den Natur- und Landschaftsschutz herausgestellt, es wurden auch Managementpläne für die Reaktivierung ehemaliger Birkhuhn-Biotope entworfen. Zunächst galt es, den dichten Fichten- und Kiefernbewuchs aus dem Moor zu verbannen, der nicht nur die Rausch- und Preiselbeeren verdämmt sondern auch dem Habicht beste Voraussetzungen für einen Überraschungsangriff  auf die Birkhühner bietet. In enger Zusammenarbeit mit dem Staatsforstamt wurde das störende Nadelholz in einem Kraftakt eingeschlagen, bei Frost – bodenschonend-  abtransportiert, und das übrig gebliebene Reisig verbrannt. Als zweites galt es, die typische Moorvegetation durch Wiedervernässung zu fördern. Dazu wurden nicht nur die alten Entwässerungskanäle mit Holzhäcksel verschlossen, sondern auch ein Moorwasser-führender Bach zugeleitet. Im trockenen Oberhang wurde versuchsweise ein Wildacker angelegt, der die Birkhennen mit eiweißreicher Pflanzennahrung versorgen sollte. Darüber hinaus wurden an die 30ha brach-gefallener Wiesen wieder gemäht und für 50ha Biotopsicherungsmaßnahmen über den Vertragsnaturschutz ermöglicht.

Die Bilanz aus insgesamt 10 Jahren Naturschutzarbeit am „Schnellenzipf“ ist voller Überraschungen: Denn erstens sind die Fortschritte in der Entwicklung zum ursprünglichen Moorkomplex wesentlich schneller angelaufen als erhofft; zum anderen konnte durch die Abstimmung zwischen Natur- und Vogelschutz und dem Forstamt ein insgesamt viel größerer Zusammenhang an Lebensräumen geschaffen werden, als es der Flächenankauf für sich ermöglicht hätte; zum dritten haben die Maßnahmen auf Bayerischer Seite auch die Tschechischen Naturschützer bestärkt, sich intensiver um die wertvollen Lebensräume des Grenzgebietes zu kümmern; vor allem aber haben die Birkhühner die wieder gewonnenen Flächen bereits entdeckt und in Besitz genommen. Schließlich orientieren sich alle Schutz- und Pflegemaßnahmen am Birkhuhn als „Leitart“, doch werden davon zweifellos auch Moorlibelle und Hochmoorgelbling, Bachforelle und Fischotter, Bergmolch und Kreuzotter  sowie Braunkehlchen und Bekassine profitieren!

Ein wichtiger Anfang ist gemacht, und der „Landesbund für Vogelschutz“- als wichtigster Fachverband für Biotop- und Artenschutz in Bayern - ruft zur Fortführung bzw. Ausweitung dieses erfolgreichen Kooperationsprojektes auf, damit aus dem vergessenen „Zipf“ an der äußersten Landesgrenze ein sehenswerter Modellfall für zeitgemäßes Bewahren unseres wertvollen Natur- und Kulturerbes werden kann!

 

W. Scherzinger